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OGH-Entscheidungen zum Kindesunterhalt

Nachfolgend finden Sie einen Auszug aus den höchstgerichtlicher Entscheidungen der letzten Jahre. Den Großteil der Informationen, die Sie den Entscheidungen entnehmen können finden Sie zwar auch in den einzelnen Kapiteln dieser Homepage, jedoch ist es in einem Gerichtsverfahren stets vorteilhaft, wenn man auch eine entsprechende Judikatur zitieren kann.

Das Studium dieser zumeist komplexen Entscheidungen ist für Nicht-Juristen mehr als gewöhnungsbedürftig. Damit Sie dabei nicht ganz verzweifeln, habe ich Ihnen die aus meiner Sicht wichtigen Aussagen färbig markiert und zusätzlich die Verweise zu Judikaturen und Paragraphen verlinkt.

Übersicht:

  1. Übermäßige und gleichteilige Betreuung ->
  2. Drittpflege und Eigeneinkommen ->
  3. Ausbildung und Selbsterhaltungsfähigkeit ->
  4. Berechnung des Unterhalts:
  5. Bemessungsgrundlage, Existenzminimum, Abfertigung, Abzugsposten, Familienbeihilfeanrechnung, Anspannung, Sonderbedarf, Naturalunterhalt
  6. Judikatur zu diversen Themen:
  7. Subsidiäre Unterhaltspflicht, Verzicht auf Unterhalt, Verzugszinsen, Haftstrafe eines Elternteils

1.) Übermäßige und gleichteilige Betreuung

Der Elternteil der das Kind in seinem Haushalt betreut, leistet dadurch seinen Unterhalt (§231 Abs. 2 Satz 1 ABGB), während der andere Elternteil geldunterhaltspflichtig ist. Betreut der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind über das übliche Kontaktrecht hinaus an weiteren Tagen, kann dies zu einer Reduzierung des Geldunterhalts führen. Als üblich gilt ein Kontaktrecht von 2 Tagen alle 2 Wochen und 4 Wochen während der Ferien, also insgesamt etwa 80 Tage pro Jahr.

  • Ein zusätzliches Übernachtungsrecht unter der Woche ist allerdings nicht geeignet den Geldunterhalt zu reduzieren. Obwohl die nachfolgende Entscheidung aus 2012 ist, hat sich der OGH noch auf alte Rechtsprechungen aus den Jahren 2003 bis 2004 bezogen, in der es noch darauf ankam, wie viel sich der betreuende Elternteil erspart. Diese Rechtsprechungen sind mittlerweile als überholt anzusehen.

    3Ob96/12g

  • Neuere Rechtsprechungen billigten dem Geldunterhaltspflichtigen zumeist eine Reduktion des Unterhalts in Höhe von 10 % pro zusätzlichen (über das übliche Maß hinausgehenden) wöchentlichen Betreuungstag zu.

    7Ob178/06m

    Nachdem immer wieder festgehalten wurde, dass der 10%-ige Abzug eher als Untergrenze zu sehen ist erfolgte in der nachfolgenden Entscheidung ein 40%-iger Abzug für etwa 1,5 zusätzliche Betreuungstage pro Woche mit der Begründung, dass je mehr sich die Situation einer gemeinsamen gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern annähert, umso weniger wird ein 10 %-Abzug pro zusätzlichem Besuchstag den wechselseitigen Leistungen gerecht.

    5Ob2/12y

    Zwischenzeitlich gab es immer wieder Entscheidungen zu Fällen, in denen die Kinder jeweils genau zu 50 % von der Mutter und zu 50 % vom Vater betreut wurden und zumeist auch der gesamte Bedarf (z.B. Kleidung) von beiden Elternteilen gleichermaßen getragen wurde. Nachdem eine genaue 50/50-Aufteilung in der Praxis wohl nur in den seltensten Fällen vorliegt, hatte wohl kaum ein Unterhaltspflichtiger die Möglichkeit, sich auf diese Entscheidungen zu berufen.

  • Erst im Jahr 2013 kam der große Judikaturwandel mit der Entscheidung 4Ob16/13a:

    Das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell war geboren, dass unter nachfolgenden Voraussetzungen bewirkt, dass kein Geldunterhaltsanspruch besteht:
    • wenn kein Elternteil mindestens 2/3 der Betreuung durchführt
    • wenn beide Eltern nicht nur die mit der Betreuung zusammenhängenden alltäglichen Kosten, sondern auch die zusätzlich notwendigen Aufwendungen (Schuhe, Kleidung, Sportsachen, Schulkosten etc.) zu gleichen Teilen tragen
    • wenn das Einkommen eines Elternteils das des anderen nicht beträchtlich übersteigt (Unterschiede bis zu einem Drittel sind hinzunehmen)

    4Ob16/13a

  • Mit der Begründung, dass es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt hat das Gericht in folgendem Fall, in dem das Kind an 124 Tagen im Jahr vom Vater betreut wird (etwa 34%) sich dennoch für die Anwendung der Prozentabzugsmethode entschieden und den Unterhalt nur um 30% gekürzt.

    8Ob69/15b

  • Es kommt auch dann im betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell zu keinem Geldunterhaltsanspruch, wenn die Eltern zwar unterschiedlich hohe Einkommen haben, diese aber jeweils so hoch sind, das sie zu über der Luxusgrenze liegenden Geldunterhaltsansprüchen des Kindes führen würden.

    6Ob11/13f

  • Bei gleichteiliger Betreuung - allerdings sehr unterschiedlichen Einkommen der Elternteile - kommt es zu einer Ermittlung von Restunterhalt gegen den leistungsfähigeren Elternteil, um den geringeren Lebensstandard beim anderen Elternteil auszugleichen. In der nachfolgenden Entscheidung setzt der OGH das betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell rechnerisch nachvollziehbar um.

    1Ob158/15i

  • Wenn beide Eltern etwa gleiche Betreuungsleistungen erbringen und über ein etwa gleich hohes Einkommen verfügen, allerdings ein Elternteil zusätzlich Naturalleistungen mit Unterhaltscharakter (die über die jeweilige Betreuung im eigenen Haushalt hinausgehen) leistet, steht dem Kind ein Ausgleichsanspruch gegen den minderleistenden Elternteil zu.

    4Ob206/15w



2.) Drittpflege und Eigeneinkommen

Drittpflege

Wird ein Kind von keinem der beiden Elternteile betreut wird, spricht man von Drittpflege. In diesem Fall sind beide Elternteile geldunterhaltspflichtig und müssen, unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit, Unterhalt zahlen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Kind in einem Studentenheim, einem Krisenzentrum oder permanent bei den Großeltern wohnt.
Im Sachverhalt der nachfolgenden Entscheidung hat sich die Mutter so richtig ins eigene Knie geschossen: Sie beantragte für ein bei den Großeltern in Serbien lebendes Kind einen Unterhalt nach österreichischen Verhältnissen. Der Vater wollte freilich aufgrund der geringeren Lebenserhaltungskosten in Serbien einen geringeren Betrag leisten. Im Ergebnis erkannte das Gericht, dass sich das Kind in Drittpflege befindet und daher nicht nur der Vater sondern auch die Mutter geldunterhaltspflichtig ist.

Eigeneinkommen

Bezieht ein (noch) nicht selbsterhaltungsfähiges Kind eigene Einkünfte, so mindern diese den Geldbedarf. Zu eigenen Einkünften des Kindes zählen beispielsweise die Lehrlingsentschädigung oder das Einkommen von einem "Samstagsjob".
  • Bezieht ein Kind eigene Einkünfte, so soll dies sowohl den Geldunterhalt leistenden als auch den betreuenden Elternteil entlasten. Der OGH hat hierfür eine Formel entwickelt, die sich am Durchschnittsbedarf der Altersgruppe und dem ASVG Ausgleichzulagenrichtsatz orientiert.

    9Ob42/16s

  • Der OGH ist zu dem Schluss gekommen, dass Eigeneinkünfte des Kindes erst in dem Monat berücksichtigt werden dürfen, in dem die Auszahlung zum ersten Mal erfolgt.

    10Ob23/14a

  • Nicht zu berücksichtigen sind geringfügige Einkünfte aus kurzfristigen Ferialtätigkeiten, wie etwa einem einmonatigen ausbildungsbedingten Praktikum während der Sommerferien.

    1Ob177/02i

  • Ebenso wird auch die Familienbeihilfe (wie auch die Studienbeihilfe und andere Sozialhilfen) nicht als Eigeneinkommen gewertet.

    6Ob107/16b



3.) Ausbildung und Selbsterhaltungsfähigkeit

Ausbildung/Studium

Beginnt ein Kind nach dem Pflichtschulabschluss eine berufliche Grundausbildung wie z.B. eine Lehre ist es bis zum Abschluss oder verschuldetem Ausbildungsscheitern i.d.R. weiterhin unterhaltsberechtigt. Unabhängig vom sozialen Status der Eltern hat das Kind bei entsprechender Eignung auch Anspruch auf eine weiterführende qualifizierte Berufsausbildung wie etwa ein Fachhochschul- oder Universitätsstudium. Um den Unterhaltsanspruch nicht zu verlieren, muss dieses zielstrebig verfolgt werden. Ein einmaliger Wechsel des Ausbildungsziels schadet der Zielstrebigkeit nicht, sofern er aus gerechtfertigten Gründen und ohne unnötigen Zeitaufschub erfolgt.

Bei Studien ohne Gliederung in Studienabschnitte muss die erforderliche Kontrolle des periodischen Studienfortgangs durch eigenständige Beurteilung der vom Unterhaltswerber erbrachten Leistungen erfolgen. Maßstab für einen erfolgreichen Studienfortschritt ist nicht die Mindeststudiendauer sondern die durchschnittliche/angemessene Studiendauer.

Wird die Studieneingangsphase (STEOP) nicht innerhalb eines Semesters abgeschlossen, ist dadurch der Abschluss innerhalb angemessener Zeit (noch) nicht ausgeschlossen, weshalb die ernsthafte und zielstrebige Betreibung des Studiums noch vorliegt.

Möchte ein Kind nach Abschluss einer Ausbildung eine weitere Ausbildung absolvieren, kann dies zugebilligt werden, sofern das Kind eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichend Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt und es für den Unterhaltsschuldner zumutbar erscheint, Leistungen zu erbringen. Außerdem muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird.

Selbsterhaltungsfähigkeit

Die elterliche Unterhaltspflicht entfällt mit Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit, also der Fähigkeit, zur eigenen Bedarfsdeckung auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Solange das Kind noch die elterliche Wohnungsgewährung oder Betreuung benötigt ist es nicht selbsterhaltungsfähig. Bei einfachen Verhältnissen orientiert sich die Selbsterhaltungsfähigkeit bezüglich der Höhe des erforderlichen Einkommens des Kindes an der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes des ASVG. Bei durchschnittlichen oder überdurchschnittlichen Verhältnissen kommen andere Formeln zur Anwendung die ein entsprechend höheres Einkommen für die Selbsterhaltungsfähigkeit voraussetzen. Grundsätzlich vertritt der OGH die Auffassung, dass Kinder während der Ausbildung am Lebensstandard der Eltern teilhaben sollen.

In der Regel wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung erreicht. Dem Kind ist allerdings nach dem Abschluss der Ausbildung noch ein angemessener Zeitraum für die Suche nach einem ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz zu gewähren.

Zeigt sich ein Kind arbeits- bzw. ausbildungsunwillig erlischt sein Unterhaltsanspruch auch dann, wenn es tatsächlich noch über keine ausreichenden Einkünfte verfügt. Diese fiktive Selbsterhaltungsfähigkeit setzt allerdings ein Verschulden des Kindes am Scheitern einer angemessenen Berufsausbildung voraus.

Bekommt die Unterhaltsberechtigte allerdings kurz vor Abschluss der Berufsausbildung selbst ein Kind und ist sie vorerst nicht im Stande selbst einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird sie noch nicht als selbsterhaltungsfähig angesehen und hat weiterhin Anspruch auf Unterhaltszahlungen.

Im folgenden Fall hat ein Kind neben dem zielstrebigen Studium eigene Einkünfte erzielt, da der Vater für sie und ihre Schwester nur unzureichend Unterhalt (unter dem Regelbedarf) bezahlt hat. Der OGH entschied, dass zwar Einkünfte, die dazu dienen, die Differenz zwischen dem konkreten Unterhaltsbedarf und dem tatsächlich geleisteten Unterhalt auszugleichen, nicht den Unterhaltsanspruch mindern, ein darüber hinausgehender Betrag den Unterhaltsanspruch jedoch schmälert bzw. wenn das Eigeneinkommen über dem ASVG-Ausgleichzulagenrichtsatz liegt sogar die Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben ist.



4.) Berechnung des Unterhalts

Unterhaltsbemessungsgrundlage

Die Unterhaltsbemessungsgrundlage bildet die Basis für Berechnung des Kindesunterhalts. Neben dem Nettoeinkommen (inkl. Sonderzahlungen) werden unter anderem nachfolgend aufgezählte Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen (siehe auch Auflistung der Einkommensbestandteile):

  • Mindestsicherung:

    9Ob27/16k

  • Auch die erhöhte Mindestsicherung wird miteinbezogen, selbst wenn diese für ein weiteres im eigenen Haushalt lebendes Kind bezogen wird.

    8Ob88/15x

    6Ob93/16v

  • Mietzinsbeihilfe:

    1Ob149/16t

  • Steuerrückzahlungen erhöhen die Unterhaltsbemessungsgrundlage im Jahr der Auszahlung.

    3Ob138/12h

  • Naturalbezüge die in Geld bewertbar sind (wie z.B. Brennholz aus eigenem Wald oder Lebensmittel aus eigener Erzeugung) sind ebenso in der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

    8Ob106/13s


Nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden unter anderem:

  • Bloße Vermögensumschichtungen sowie ausbezahlte Kapitalanteile aus einer Erlebensversicherung

    4Ob236/14f

  • Freiwillige Zuwendungen von der Lebensgefährtin

    3Ob237/13v

  • Krankenhaustaggeld von einer privaten Krankenversicherung

    8Ob1/13z

Unterschreitung des Existenzminimums

Der Ausgleichszulagenrichtsatz (2017: € 889,-) ist jener Betrag, der einem Schuldner im Falle einer (Gehalts-)Exekution zumindest verbleiben muss, jedoch gelten im Falle eines exekutierbaren Unterhaltsanspruchs auf 75% reduzierte Werte (2017: € 666,75). Im vorliegenden Fall wurde diese Grenze allerdings noch weiter unterschritten, mit dem Argument, dass der Unterhaltspflichtige mit seiner (neuen) Ehegattin in einem gemeinsamen Haushalt lebt und dadurch nicht für die gesamten Wohnungskosten alleine aufkommen müsse.

Von der Politik hört man seit den Diskussionen um die Mindestsicherung immer wieder, dass es menschenunwürdig wäre, die Mindestsicherung (2017: € 844,-) zu reduzieren. Dem gegenüber steht nun nachfolgende Judikatur, die es durchaus als rechtens ansieht, wenn einem Unterhaltspflichtigen, der im gemeinsamen Haushalt mit einer Lebensgefährtin wohnt, lediglich ein Existenzminimum von rund € 500,- pro Monat (bei 14 Gehältern) verbleibt.

Eigentlich gäbe es ja den Grundsatz, dass eine unter die 75%-Grenze hinausgehende Unterschreitung des Existenzminimums nur möglich ist, wenn dem Kind kein subsidiär zur Abdeckung des Fehlbetrages verpflichteter betreuender Elternteil zur Verfügung steht. Doch dieser Grundsatz wurde mit dieser Judikatur in dem vorliegenden Beispiel vom OGH absichtlich außer Kraft gesetzt. D.h. die Mutter könnte € 3.000,- im Monat verdienen und zusätzlich die Familienbeihilfe kassieren und der Vater würde dennoch bis auf € 500,- gepfändet werden.

Abfertigungen

Neben den laufenden Bezügen sind auch größere Einmalzahlungen - wie z.B. Abfertigungen - bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen. Für den Unterhaltspflichtigen wäre es freilich wünschenswert, wenn derartige Zahlungen im Monat der Auszahlung zur Gänze zu berücksichtigen wären. In diesem Monat wäre dann der Unterhalt mit der Playboy Grenze begrenzt und die Kinder würden in Bezug auf die ausbezahlte Abfertigung so gut wie leer ausgehen. Dass dies nicht zulässig ist und Abfertigungen auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen sind, liegt auf der Hand. Welcher Zeitraum dabei angemessen ist, richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Beteiligten und den Umständen des Einzelfalls.

Folgende Varianten in Bezug auf den Aufteilungszeitraum gibt es:

  • Wenn die ausbezahlte Abfertigung in erster Linie als Entgeltfunktion gesehen wird, dann ist die Abfertigung auf jenen Zeitraum aufzuteilen, der den in der Abfertigung enthaltenen Monatsentgelten entspricht. Vor allem in älteren Rechtsprechungen wurde die gesetzliche Abfertigung standardmäßig nach dieser Variante aufgeteilt (die freiwillige Abfertigung hingegen in Form einer Zuschussrechnung).

    1Ob683/90

  • Ein längerer Zeitraum ist nach der Rechtsprechung aber dann geboten, wenn nicht die Überbrückung für eine kürzere Zeit der Arbeitslosigkeit, sondern die Vorsorge eines höheren Einkommens für einen längeren Zeitraum im Vordergrund steht.

    4Ob144/16d

  • Wenn die Abfertigung eher eine Überbrückungsfunktion als eine Entgeltfunktion erfüllt, dann findet zumeist eine Zuschussrechnung zur Erhaltung des früheren monatlichen Durchschnitteinkommens statt. Die Abfertigung wird somit zum Ausgleich der Einkommensminderung herangezogen. Im Falle einer vorhergehenden Arbeitslosigkeit kann es zu einer Kombination aus Überbrückungshilfe und Zuschussrechnung kommen.

    7Ob211/02h

  • Bei entsprechend hohen Abfertigungszahlungen tritt der Überbrückungscharakter in den Hintergrund und es ist nicht anzunehmen, dass derartig hohe Beträge innerhalb von ein bis zwei Jahren "verbraucht" werden. Die Aufteilung hat daher auf einen längeren Zeitraum zu erfolgen, um den tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden.

    7Ob550/93

  • Speziell, wenn der Unterhaltspflichtige nach Erhalt der Abfertigung entweder bereits in Pension geht, oder aufgrund der Umstände am Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar ist, dann kann der Aufteilungszeitraum bis hin zur statistischen Lebenserwartung ausgedehnt werden.

    7Ob109/16d

  • Der Oberste Gerichtshof hat aber auch schon ausgesprochen, dass der Geldunterhaltspflichtige den Zeitraum für den Verbrauch der Abfertigung frei wählen könne und deshalb müsse auch dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit eingeräumt werden die Aufteilung auf einen kürzeren Zeitraum zu begehren. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geldunterhaltspflichtige die Abfertigung innerhalb weniger Jahre verbraucht hat und somit keine „Vorsorge auf Lebenszeit" betrieben hat.

    3Ob5/15d

    6Ob202/06h

  • Selten aber doch gibt es auch OGH-Entscheidungen, die aus Sicht des Unterhaltspflichtigen positiv überraschen. Die nachfolgenden Judikatur besagt, dass die Anrechnung der Abfertigung auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage jedenfalls dann nicht gerechtfertigt ist, wenn der Unterhaltspflichtige den Betrag investiert (in diesem Fall in den Ankauf eines Hotelbetriebs) um eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

    8Ob59/13d

Abzugsposten

Unter besonderen Umständen können berücksichtigungswürdige Ausgaben des Unterhaltspflichtigen von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden (siehe auch Auflistung der Abzugsposten). Allerdings gilt hier ein äußerst strenger Maßstab!

  • Zinsaufwendungen für den Kredit einer vermieteten Wohnung sind ebenso wie die Abschreibung der Wohnung von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.

    8Ob63/13t 

  • Schulden, die vor Kenntnis der Unterhaltspflicht eingegangen wurden, sind unter Umständen bei der Bemessung der Unterhaltspflicht zu berücksichtigen (allerdings nicht unbedingt im vollen Umfang).

    4Ob139/15t

  • Schulden für die nacheheliche Vermögensauteilung können nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden.

    7Ob100/13a

  • Rückzahlungen für einen Wohnungskredit, der ursprünglich zur Finanzierung einer gemeinsamen Genossenschaftswohnung aufgenommen wurde, können nicht abgezogen werden. Eine Ausnahme kann lediglich bei scheidungsbedingten Kosten für Wohnraumbeschaffung (auch in Form von monatlichen Kreditrückzahlungsraten) gegeben sein, insbesondere wenn die bisherige Ehewohnung jenem Elternteil überlassen wurde, in dessen Pflege und Erziehung das unterhaltsberechtigte Kind verbleibt.

    7Ob210/12a

  • Abzugsfähig von der Bemessungsgrundlage sind lebens- und existenznotwendige oder -sichernde Ausgaben, die auch ein pflichtbewusster, rechtstreuer Familienvater in einer intakten Familie in der konkreten Situation des Unterhaltspflichtigen tätigen würde. Die Existenznotwendigkeit muss allerdings vom Unterhaltspflichtigen bewiesen werden (hier eine MBA-Ausbildung). Dies betrifft so ziemlich alle Ausgaben, die als Werbungskosten im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung angesetzt werden.

    7Ob134/12z

Familienbeihilfen-Anrechnung

2002 hat der OGH festgestellt, dass die Familieneihilfe nicht nur die Sicherung eines Mindestunterhalts des Kindes darstellt, sondern auch der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen dienen soll. Aus diesem Grund wird die Familienbeihilfe bei der Berechnung der Unterhaltspflicht berücksichtigt.

  • Der Unterhaltspflichtige muss die Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei Gericht beantragen. Von Amts wegen zu berücksichtigen hat das Gericht die Familienbeihilfe lediglich in folgenden 2 Fällen:

    • Die Familienbeihilfe wurde bereits in einer früheren Entscheidung berücksichtigt.

      4Ob58/12a

    • Der Unterhaltspflichtige tritt einem Erhöhungsantrag entgegen.

      3Ob13/14d

  • Ist ein unterhaltspflichtiges Elternteil in einem anderen Staat steuerpflichtig, ist die Familienbeihilfe nicht bei der Berechnung der Unterhaltspflicht zu berücksichtigen.

    8Ob90/09g

  • Ein Unterhaltspflichtiger, der zwar im Ausland arbeitet, aber aufgrund seines österreichischen Wohnsitzes in Österreich unbeschränkt einkommenssteuerpflichtig ist, wird durch die Familienbeihilfen-Anrechnung steuerlich entlastet, unabhängig davon, wie hoch jener Anteil der vom Unterhaltspflichtigen abzuführenden Einkommenssteuer ist, der dem österreichischen Finanzamt zufließt.

    4Ob143/12a

Mit Hilfe des Unterhaltsrechners der Jugendwohlfahrt können Sie die Berechnung in Eigenregie durchführen. Hier finden Sie eine Schritt-für-Schrittanleitung zur Bedienung der Unterhaltsrechners. Bitte beachten Sie aber, dass dieser Unterhaltsrechner in bestimmten Konstellationen ein fehlerhaftes Ergebnis anzeigt.

Bitte beachten Sie auch die aktuellen Informationen im Zusammenhang mit dem Familienbonus Plus.

Anspannung

Ein unterhaltspflichtiger Elternteil ist verpflichtet, alle seine Kräfte anzuspannen, um seiner Verpflichtung zur angemessenen Unterhaltsleistung nachkommen zu können. Das bedeutet, er muss alle seine persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft so gut wie möglich einsetzen. Andernfalls wird er behandelt, als bezöge er jene Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit erzielen könnte.

  • Dieser Anspannungsgrundsatz kommt etwa dann zur Anwendung, wenn ein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger nicht zielstrebig und tatkräftig nach einem neuen Arbeitsplatz sucht. Zu beachten ist, dass der Unterhaltspflichtige beweisen muss, dass er zielstrebig nach einem Arbeitsplatz sucht.

    4Ob101/13a

    1Ob65/16i

  • Voraussetzung für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes ist ein Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) seitens des Unterhaltsschuldners. So hat etwa der OGH entschieden, dass ein Vater, der die Frist zur Verlängerung seines Aufenthaltstitels verpasst hat und somit einkommenslos wurde, nicht angespannt wurde.

    6Ob80/13b

  • Andererseits wurde ein seit Jahren fast durchgehend arbeitsloser Schauspieler angespannt, da es ihm zumutbar gewesen wäre, eine außerhalb seines Berufsfeldes liegende Berufstätigkeit aufzunehmen (und sie gegebenenfalls bei Angebot einer Rolle als Schauspieler wieder aufzukündigen).

    10Ob22/15f

  • Grundsätzlich ist ein Unterhaltspflichtiger nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten, um den Unterhalt für sein Kind zu maximieren. Es steht ihm auch zu, für geleisteten Überstunden Zeitausgleich zu nehmen. Allerdings wurde ein Lehrer angespannt, der seine Überstunden auf einem Zeitkonto gutgeschrieben bekam und diese aufgrund einer speziellen Vereinbarung erst nach seinem 50. Lebensjahr (über 6 Jahre später) konsumieren konnte. In diesem Fall wurde davon ausgegangen, dass er sich die Überstunden nicht auszahlen lassen wollte, um seine Unterhaltspflicht zu mindern.

    10Ob96/11g

Sonderbedarf

Als Sonderbedarf qualifizieren sich nur Kosten, die den Kriterien der Individualität, Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit entsprechen und aus in der Person des Kindes liegenden Gründen entstanden sind (siehe auch Auflistung der Kosten mit Sonderbedarfs-Charakter). Sonderbedarf ist im Regelfall nur dann vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil zu bezahlen, wenn ein Deckungsmangel vorliegt.

  • Die Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung stellen Sonderbedarf dar. Im Rahmen der Unterhaltsbemessung ist Sonderbedarf aber nur dann zu ersetzen, wenn dessen Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung.

    1Ob207/15w

  • Auch die Kosten für eine notwendige Psychotherapie können unter bestimmten Voraussetzungen Sonderbedarf darstellen.

    3Ob144/10p

  • Die Schulkosten für eine Privatschule sind hingegen nur dann als Sonderbedarf zu werten, wenn das Kind eine besondere Begabung für diesen Ausbildungsweg zeigt und es keine gleichwertigen Alternativen (z.B. öffentliche Schule) gibt.

    4Ob120/09

  • Anwalts- und Prozesskosten sind im Unterhaltsverfahren nur dann Sonderbedarf, wenn es sich um einen besonders schwierigen Fall handelt.

    6Ob183/06i

  • Leistet der Unterhaltspflichtige aufgrund des Unterhaltsstopps weniger, als er nach der Prozentwertmethode zahlen müsste, kann die Differenz zwischen Unterhaltsstopp und Prozentwertmethode im Falle eines Sonderbedarfs des Kindes herangezogen werden, um diesen zu decken. Das bedeutet, es muss nicht wie bei einfacheren Verhältnissen üblich, zuerst die Differenz zwischen Regelbedarf und tatsächlichem Unterhalt herangezogen werden um den Sonderbedarf zu decken. Dies wird damit begründet, dass es aufgrund der Zweckwidmung nicht zu einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung kommen kann.

    7Ob97/16i

  • Verfügt das noch unterhaltsberechtigte Kind über ein Einkommen - wie etwa der Lehrlingsentschädigung - muss dieses bei der Ermittlung des Sonderbedarfs berücksichtigt werden.

    8Ob44/15a

Naturalunterhalt

  • In der Regel leistet der Elternteil, der das Kind nicht überwiegend betreut, seinen Unterhalt in Form von Geldunterhalt. Bei einer rückwirkenden Unterhaltserhöhung kann es hingegen gerechtfertigt sein, Unterhaltszuwendungen wie z.B. Sportausrüstung, Bekleidungsstücke, Schikurskosten oder angemessene Freizeitreisekosten geldunterhaltsmindernd anzurechnen.

    10Ob34/12s

  • Von besonderer Relevanz ist dieses Thema bei der Zurverfügungstellung von Wohnraum, sei dies in Form einer Mietwohnung, Eigentumswohnung etc. Der OGH hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach entschieden, dass es auf den fiktiven Mietwert ankommt, unabhängig davon, wie hoch die Kreditraten sind oder ob es sich um ein bereits abgezahltes Objekt handelt.

    1Ob143/12d

  • Eine fiktive Mietersparnis ist auch dann als Naturalunterhalt anzurechnen, wenn der Unterhaltsschuldner nur Miteigentümer der dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Wohnung ist. Sind beide Eltern Hälfte-Eigentümer, kann sich er Unterhaltspflichtige allerdings nur die Hälfte des Fiktiven Mietzinses anrechnen.

    1Ob203/14f

    6Ob61/13h

  • Wird eine Wohnung zur Verfügung gestellt, deren fiktiver Mietzins etwa so hoch ist, wie der gesamte Unterhaltsanspruch des Kindes, kann dies nicht zu einer Reduktion des Geldunterhalts auf null führen, da der Unterhalt alle Bedürfnisse decken muss. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Überalimentation in einem Teilbereich darf nicht zu einer Kürzung in einem anderen Teilbereich führen. In der Regel muss neben der Zurverfügungstellung von Wohnraum noch ein Geldunterhalt in Höhe von 2/3 des Gesamtunterhalts verbleiben.

    3Ob27/15i


5.) Judikatur zu diversen Themen

Subsidiäre Unterhaltspflicht der Eltern

Der Sohn lebt in einer eingetragenen Partnerschaft und betreibt zielstrebig sein Studium. Grundsätzlich wäre der eingetragene Partner für ihn unterhaltspflichtig. In diesem Fall studiert allerdings auch der eingetragene Partner und verfügt lediglich über ein geringfügiges Einkommen. Daher kommt die subsidiäre Unterhaltspflicht der Eltern zu tragen und sie müssen Unterhalt für ihren Sohn leisten.

Verzicht auf Unterhalt

Ein volljähriges Kind kann zwar nicht schlechthin auf den gesetzlichen Unterhalt verzichten, ein Verzicht auf einzelne Unterhaltsleistungen oder Teile davon ist aber wirksam. Das gilt insbesondere für einen überschaubaren Zeitraum bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit.

Nachdem das Studium des Sohnes gescheitert ist und er sich als Profisportler selbstständig machen wollte, hat er "bis auf weiteres" auf den Unterhalt verzichtet. Obwohl er durch die nur sehr geringen Einnahmen an Sponsorengeldern nicht als selbsterhaltungsfähig zu werten war, hatte er aufgrund des Verzichts keinen Anspruch auf Unterhalt mehr. In diesem Fall ist die Unterhaltspflicht allerdings wieder aufgelebt, als er ein halbes Jahr später ein neues Studium begonnen und zielstrebig betrieben hat.

Verzugszinsen

Gerät ein unterhaltspflichtiges Elternteil mit der Unterhaltszahlung in Verzug, stehen dem Unterhaltsberechtigten ab Fälligkeit des Unterhalts, Verzugszinsen zu. Ein solcher Verzugszinsenanspruch ist grundsätzlich als Nebenforderung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs zu behandeln, wenn er in Verbindung mit dem Hauptanspruch im Verfahren außer Streitsachen geltend gemacht wird. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass der Verzugszinsenanspruch eines Minderjährigen auch dann im Verfahren außer Streitsachen geltend zu machen ist, wenn zwar schon ein Exekutionstitel über den monatlichen Unterhaltsanspruch, aber noch keiner über den Anspruch auf Verzugszinsen aus bereits titulierten Unterhaltsbeiträgen besteht.

Haftstrafe eines Elternteils

Befindet sich ein unterhaltspflichtiger Elternteil in Haft, ist er nicht automatisch von seiner Unterhaltspflicht befreit. Vielmehr ist nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu prüfen, ob und in welchem Umfang es zumutbar ist, zur Deckung der Unterhaltspflicht das Vermögen des Elternteils heranzuziehen. In diesem Fall hat das Gericht entschieden, dass es zumutbar ist, während der Dauer der Haftstrafe rund ein Viertel des Vermögens für die laufenden Unterhaltszahlungen aufzuwenden.



Hinweis zur Auswahl obiger Judikaturen:
Sie finden auf dieser Seite in erster Linie Judikaturen der letzten 10 Jahre. Das liegt daran, dass ich seit Beginn meines Studiums der Rechtswissenschaften in 2012 über diverse Newsletter betreffend neuer Judikaturen auf dem Laufenden gehalten werde und mich über meinen Zugang zu einer Rechtsdatenbank in die Materie vertiefen kann. Selbstverständlich gibt es aber auch eine Vielzahl von älteren OGH-Entscheidungen, die trotz ihres Alters nach wie vor für die Unterhaltsberechnung relevant sind. Ein Auswahl solcher OGH-Entscheidungen finden Sie auf meiner alten Web-Präsenz alimente-berechnung.at (diese Seite ist sozusagen mein Judikatur-Archiv).

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