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Sonderbedarf/Regelbedarf & Unterhaltsstopp:

1) Regelbedarf

Unter Regelbedarf (bzw. Durchschnittsbedarf) versteht man ganz allgemein jenen Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse, wie etwa kulturelle und sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub, hat. Es handelt sich somit um einen statistischen Wert, der eine Orientierungsgröße für Durchschnittsfälle darstellt.

Dieser Regelbedarf dient Gerichten unter anderem zur Abschätzung, ob der mittels Prozentwertmethode berechnete Unterhalt über oder unter dem Durchschnittsbedarf eines Kindes liegt, hat aber auf die Höhe von "im Mittelfeld liegender" Unterhaltsbemessungen keinerlei Einfluss.

Sehr wohl Einfluss hat der Regelbedarf allerdings in den nachfolgenden aufgezählten Fällen:

  • bei der Berechnung des Unterhaltsstopps (Playboygrenze)
  • bei der Unterhaltsberechnungen für Kinder, die über ein Eigeneinkommen verfügen
  • für die Beurteilung, ob der Unterhaltspflichtige zusätzlich zum laufenden Unterhalt für Sonderbedarf aufkommen muss
  • ein Begehren bei Gericht ist desto genauer zu erörtern sowie in seinen tatsächlichen Voraussetzungen zu prüfen und die getroffene Unterhaltsfestsetzung ist desto eingehender zu begründen ist, je weiter sich der Unterhaltsbedarf vom Regelbedarf entfernt
  • in jenen Fällen, in denen keine behördliche Festsetzung der Unterhaltsleistung und auch kein schriftlicher Vertrag vorliegen, steht der Unterhaltsabsetzbetrag dem Unterhaltspflichtigen nur zu, wenn der Unterhalt zumindest in der Höhe des Regelbedarfs bezahlt wurde

Die Regelbedarfssätze werden jährlich im Rahmen des Verbraucherpreisindex valorisiert und galten jeweils vom 1. Juli bis zum 30. Juni des Folgejahres. Die valorisierten Werte wurden bis 2021 vom Gericht (Senat 43) jeweils etwa Mitte August veröffentlicht. Bis 2021 basierten diese Werte auf einer Konsumerhebung aus dem Jahr 1964 und die 2021 veröffentlichten valorisierten Werte hätten eigentlich bis 30.06.2022 gelten sollen. Im März 2022 wurde vom Senat 43 überraschenderweise eine neue Empfehlung betreffend Durchschnittsbedarfssätze veröffentlicht (43 Nc 5/22w), die bereits seit 01.01.2022 gelten. Diese Empfehlung basiert nun auf einer neuen Studie, nämlich die Kinderkostenanalyse des Sozialministeriums 2021. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass die bisherigen Regelbedarfssätze für Kinder ab 10 Jahren stark unterschätzt wurden. Weiters entfällt der Alterssprung bei 3 Jahren.
Im Sommer 2022 wurde von einer Valorisierung Abstand genommen und im Dezember wurden die valorisierter Regelbedarfssätze für 2023 bekanntgegeben. Seither erfolgt die Valorisierung immer für ein Kalenderjahr.

Regelbedarf
 Alter des Kindes 2020/2021 2021/(2022) ab 1.1.2022 2023 2024
 0 bis 2 Jahre € 213,- € 219,- € 290,- € 320,- € 340,-
 3 bis 5 Jahre € 274,- € 282,-
 6 bis 9 Jahre € 352,- € 362,- € 370,- € 410,- € 430,-
 10 bis 14 Jahre € 402,- € 414,- € 450,- € 500,- € 530,-
 15 bis 19 Jahre € 474,- € 488,- € 570,- € 630,- € 660,-
 ab 20 Jahre € 594,- € 611,- € 650,- € 720,- € 760,-
Der "Sprung" in die nächste Regelbedarfsklasse erfolgt jeweils zum 6., 10., 15., und 20. (bzw. 19. bis 2021) Geburtstag und entfacht aber frühestens ab dem Folgemonat nach dem Geburtstag eine Auswirkung.


2) Unterhaltsstopp / Playboygrenze

Der OGH hat erkannt, dass eine Ausschöpfung der Prozentkomponente bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine Überalimentierung ergibt, die pädagogisch schädlich sein kann. Es kann für die Motivation eines Kindes in das Berufsleben einzusteigen nicht förderlich sein, wenn der zuvor bezogene Unterhalt höher ist als das Einkommen des Kindes beim Einstieg ins Berufsleben. Als weitere Begründung wird auch angeführt, dass durch die Einziehung einer Angemessenheitsgrenze die Gefahr reduziert wird, dass der Unterhalt für andere Personen im Haushalt des betreuenden Elternteils verwendet wird.

Auch wenn der OGH immer wieder daran festhält, dass die konkrete Ausmittlung der Obergrenze von den Umständen des Einzelfalls abhängt, gibt es Richtwerte, die zumeist von der Instanzjudikatur herangezogen werden. Diese Richtwerte liegen bei dem zwei- bis zweieinhalbfachen des nach dem Alter des Kindes anwendbaren Regelbedarfssatzes, wobei der zweifache Regelbedarfssatz zumeist bei Kindern bis 10 Jahren (also bis zum Abschluss der Volksschule) angewendet wird.

Nachfolgende Unterhaltsstopp-Richtwerten ergeben sich bei Beibehaltung dieser Rechtsprechungen:

Unterhaltsstopp - Richtwert
 Alter des Kindes 2020/2021 2021/(2022) ab 1.1.2022 2023 2024
 0 bis 2 Jahre € 426,- € 438,- € 580,- € 640- € 680-
 3 bis 5 Jahre € 548,- € 564,-
 6 bis 9 Jahre € 704,- € 724,- € 740,- € 820,- € 860,-
 10 bis 14 Jahre € 1.005,- € 1.035,- € 1.125,- € 1.250,- € 1.325,-
 15 bis 19 Jahre € 1.185,- € 1.220,- € 1.425,- € 1.575,- € 1.650,-
 ab 20 Jahre € 1.485,- € 1.527,- € 1.625,- € 1.800,- € 1.900,-
Der "Sprung" in die nächste Regelbedarfsklasse erfolgt jeweils zum 6., 10., 15., und 20. (bzw. 19. bis 2021) Geburtstag und entfacht aber frühestens ab dem Folgemonat nach dem Geburtstag eine Auswirkung.

ACHTUNG: Auch wenn es dem Argument der "pädagogisch schädlichen Überalimentierung" widerspricht, waren bis 31.12.2018 auch jene Unterhaltsschuldner steuerlich zu entlasten, deren Unterhaltsleistung durch den Unterhaltsstopp begrenzt ist. D.h. auch in diesen Fällen hatte eine Familienbeihilfenanrechnung zu erfolgen und der tatsächlich zu bezahlende Unterhalt lag demnach unterhalb der Playboygrenze. Seit der Einführung des Familienbonus Plus (ab 01.01.2019) wird diese Familienbeihilfenanrechnung allerdings durch den Familienbonus Plus ersetzt.

3) Sonderbedarf (Individualbedarf):

Unter Sonderbedarf sind jene Kosten zu verstehen, die bei der Ermittlung des Regelbedarfs bewusst außer Acht gelassen wurden. Es handelt sich hierbei insofern um außergewöhnliche Kosten, weil diese nicht mit weitgehender Regelmäßigkeit für die Mehrzahl der unterhaltsberechtigten Kinder anfällt.

Das bedeutet, dass nicht automatisch ein Sonderbedarf vorliegt, wenn der betreuende Elternteil (z.B. für eine Schulsportwoche) tief in die Tasche greifen muss. Auf die Schulsportwoche fährt schließlich ein Großteil der Kinder und daher stellen diese Kosten - auch wenn sie noch so sehr das Budget des betreuenden Elternteils belasten - keinen Sonderbedarf dar.
Die ausbildungsbedingte Anschaffung eines Computers hingegen, stellt schon einen Sonderbedarf dar.

Sie sehen, die Beurteilung was alles als Sonderbedarf durchgeht, kann durchaus schwierig ausfallen. Speziell wenn man bedenkt, dass es heutzutage möglicherweise mehr Kinder gibt, die einen Laptop haben als Kinder, die auf die Schulsportwoche mitfahren. Als Richtlinie zur Beurteilung kann man aber leider nur die bisher ergangene Judikatur heranziehen, auch wenn diese der Realität naturgemäß hinterherhinkt.

Allgemein lässt sich aber festhalten, dass speziell dann Sonderbedarfskosten vorliegen können, wenn ein Kind über eine besondere Begabung verfügt oder besondere medizinische Kosten vorliegen. Nachfolgend finden Sie eine beispielhafte Auflistung.

  • Kosten mit Sonderbedarfs-Charakter:

    • notwendige medizinische Behandlungen (die über das übliche Maß hinausgehen)
    • krankheitsbedingte Mehraufwendungen (die über das übliche Maß hinausgehen)
    • aufwendige Zahnbehandlungen
    • kieferorthopädische Zahnbehandlungen
    • Kosten eines Spitalsaufenthalts
    • Bergungskosten nach einem Schiunfall
    • besonders begründete Privatschulausbildung bzw. Privatuniversität
    • Halbinternat, das aus in der Person des Kindes gelegenen Gründen besucht wird
    • auswärtige Ausbildung (Internat oder Studium), wenn keine gleichartige Ausbildung am Wohnort geboten wird
    • Auslandsstudium bei besonderer Begabung und fehlender gleichwertiger Ausbildungsmöglichkeit im Inland
    • Musikunterricht für ein besonders begabtes Kind
    • Klaviermiete für Musikstudenten
    • Nachhilfe, solange sie nur vorübergehend erforderlich ist und sinnvoll erscheint
    • Lerncamp zur Lösung vorübergehender Probleme
    • Rechtsanwalts- und Verfahrenskosten

  • Kosten ohne Sonderbedarfs-Charakter:

    • Privatsanatorium
    • Zusatzkrankenversicherung
    • Tagesmutter
    • Kindergarten / Hort
    • Internat zur Elternentlastung
    • auswärtige Kinderbetreuung im Interesse des betreuenden Elternteils
    • Feriencamp
    • Kulturreise
    • Studienreise
    • Urlaub
    • Projektwoche
    • Schulsportwoche
    • Schulschikurs
    • Schiausrüstung
    • Ballettunterricht
    • Judo Kurs
    • Tennisunterricht und -ausrüstung
    • Tanzschule
    • Fahrrad
    • Fahrschule
    • Wohnbedarf
    • Zweitwohnsitz
    • Vermögensbildung

  • Wer muss für die Sonderbedarfskosten aufkommen

    Wenn Sie nun im ersten Schritt ermittelt haben, dass in Ihrem Fall Sonderbedarfskosten vorliegen, so stellt sich im zweiten Schritt zwangsweise die (egoistische) Frage, wer die Sonderbedarfskosten bezahlen muss. In der Praxis werden diese Kosten oftmals 50/50 zwischen geldunterhaltspflichtigen Elternteil und betreuenden Elternteil aufgeteilt. Doch diese so oft gelebte Praxis findet in keiner mir bekannten OGH-Entscheidung auch nur ansatzweise eine Basis.

    Tatsächlich ist es so, dass Sonderbedarf nur bei Deckungsmangel zu berücksichtigen ist und ein Deckungsmangel liegt nur dann vor, wenn die Kosten des Sonderbedarfs höher sind als die Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten Unterhalt und dem Regelbedarf.
    An einem Beispiel erläutert bedeutet das, wenn Sie als geldunterhaltspflichtiger Elternteil für Ihr Kind einen Unterhalt von € 500,- leisten und demgegenüber der Regelbedarf für dieses Kind nur € 300,- ausmacht, so steht die Differenz (€ 200,-) dem betreuende Elternteil für die Deckung von Sonderbedarf zur Verfügung. Dementsprechend müssen Sie für Sonderbedarf nur in jenem Umfang aufkommen, der nicht durch diese Differenz abgedeckt werden kann. Des weiteren sind teure Anschaffung in dieser Berechnung auf einen angemessenen längeren Zeitraum aufzuteilen. D.h. auch die jährliche Teilzahlung für die Zahnregulierung kann durchaus aus dieser Differenz bestritten werden.

    Sonderbedarfskosten die von einer Krankenversicherung gedeckt sind, dürfen freilich nicht vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil eingefordert werden. Des weiteren kann ein Unterhaltspflichtiger nicht zur Bezahlung der teuersten am Markt erhältlichen Zahnspange verdonnert werden. Bei gleichwertigen Alternativen genießt immer die den Unterhaltsschuldner weniger belastende Alternative den Vorzug.

    Eine besondere Ausnahme besteht in jenen Fällen, in denen der laufende Unterhalt durch den Unterhaltsstopp gedeckelt ist: In diesen Fällen kann der Unterhaltspflichtige, obwohl kein Deckungsmangel vorliegt, zur Bezahlung der Sonderbedarfskosten verpflichtet werden (siehe Judikatur dazu). Für den geldunterhaltspflichtigen Elternteil mag dies unlaublich klingen, doch ist die Begründung rein sachlich durchaus nachvollziehbar. Die Playboygrenze soll ja eine pädagogisch schädliche Überalimentierung verhindern. Dieses Argument greift allerdings dann nicht mehr, wenn der oberhalb der Playboygrenze liegende Geldbetrag für die Finanzierung eines Sonderbedarfs verwendet wird und sich somit nicht mehr "pädagogisch schädlich" auswirken kann.

Anmerkung:

Bitte beachten Sie, dass die auf dieser Seite aufgezählten anerkannten und nicht anerkannten Sonderbedarfskosten nur einen Auszug darstellen.

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