Berechnung der Alimente:
Über die Prozentwertmethode (auch Prozentwertsystem oder Prozentmethode genannt) wird gemäß ständiger Rechtsprechung der vom Unterhaltspflichtigen zu zahlende Kindesunterhalt ermittelt. Dafür wird über diese Methode ein Prozentsatz ermittelt, welcher anschließend mit der Unterhaltsbemessungsgrundlage multipliziert wird.
Doch selbst im Standardfall (kein Unterhaltsstopp, keine verstärkte Betreuung, kein Eigeneinkommen etc.) ist das hieraus ermittelte Ergebnis nur als eine Orientierungsgröße zu sehen, denn die Gerichte sind nicht verpflichtet, den Unterhalt zu berechnen sondern lediglich zu bemessen.
Prozentwertmethode |
Alter des Kindes |
Prozentsatz |
Abzug
bei Geschwistern |
Erhöhungszeitpunkt
gilt ab dem Folgemonat nach |
0 bis 6 Jahre |
16 % |
1 % |
|
6 bis 10 Jahre |
18 % |
1 % |
6. Geburtstag |
10 bis 15 Jahre |
20 % |
2 % |
10. Geburtstag |
über 15 Jahre |
22 % |
2 % |
15. Geburtstag |
Die unter "Abzug bei Geschwistern" angegebenen Prozent sind als Prozentpunkteabzug für weitere Unterhaltspflichten gegenüber anderen Kinder zu verstehen. Für weitere Unterhaltspflichten gegenüber (geschiedenen) Ehegatten werden zusätzlich 0 bis 3 Prozentpunkte in Abzug gebracht. |
Alter des Kindes und Erhöhungszeitpunkte:
Um Missverständnissen vorzubeugen wurde die Spalte "Erhöhungszeitpunkte" hinzugefügt, da man sonst beispielsweise ein 10-jähriges Kind sowohl der Altersklasse 6-10 Jahre als auch der Altersklasse 10-15 Jahre zuordnen könnte. Der "Prozentsprung" erfolgt jeweils im Folgemonat nach dem Geburtstag. D.h. wenn ein Kind im Mai den 10. Geburtstag feiert, dann sind im Mai noch die 18 % zu zahlen und ab Juni die 20 %.
Prozentsatz und Abzüge:
Für weitere Unterhaltspflichten stehen dem Unterhaltspflichtigen Abzüge zu.
Im ersten Schritt muss der (Grund-)Prozentsatz in Abhängigkeit des Alters des Kindes anhand obiger Tabelle ermittelt werden (16 bis 22 %).
Im zweiten Schritt werden in Abhängigkeit der weiteren Unterhaltspflichten Prozentpunkte in Abzug gebracht. Für jede weitere Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind unter 10 Jahren wird 1 Prozentpunkt abgezogen und für jede weitere Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind über 10 Jahren werden 2 Prozentpunkte abgezogen.
Beispiel 1:
1. Kind (11 Jahre) / 20 % minus 2 % (für 2. Kind), minus 1 % (für 3. Kind) = 17 %
2. Kind (10 Jahre) / 20 % minus 2 % (für 1. Kind), minus 1 % (für 3. Kind) = 17 %
3. Kind (9 Jahre) / 18 % minus 2 % (für 1. Kind), minus 2 % (für 2. Kind) = 14 %
In Summe somit 48 %
Beispiel 2:
1. Kind (12 Jahre) / 20 % minus 2 % (für 2. Kind), minus 2 % (für 3. Kind) = 16 %
2. Kind (11 Jahre) / 20 % minus 2 % (für 1. Kind), minus 2 % (für 3. Kind) = 16 %
3. Kind (10 Jahre) / 20 % minus 2 % (für 1. Kind), minus 2 % (für 2. Kind) = 16 %
In Summe somit trotz Alterssprung des 3. Kindes wieder 48 %
Zusätzlich zu den oben dargestellten Abzügen sind auch für Unterhaltspflichten gegenüber geschiedenen Ehegatten sowie für Ehegatten in aufrechter Ehe Abzüge vorzunehmen. Die Höhe der Abzüge bewegt sich zwischen 0 und 3 Prozentpunkten je unterhaltsberechtigten (Ex-)Ehegatten.
Ob ein Unterhaltsanspruch des Ehegatten aus aufrechter Ehe besteht richtet sich danach, ob dieser ein Eigeneinkommen hat (ohne Einkommen sind 3 Prozentpunkte abzuziehen) bzw. wie stark dieses Eigeneinkommen vom Einkommen des anderen Ehepartners abweicht. Für diese Berechnung werden die Formeln des Ehegattenunterhalts herangezogen (d.h.
40 % abzüglich 4 Prozentpunkte pro Kind und abzüglich Eigeneinkommen).
Je höher der berechnete Unterhaltsanspruch des Ehepartners aus aufrechter Ehe ist bzw. die tatsächliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem geschiedenen Ehegatten ist, desto höher sind die in Abzug zu bringenden Prozentpunkte (maximal je 3 Prozentpunkte) und diese sind in gleicher Weise wie in den obigen Beispielen in Abzug zu bringen. Für die Höhe dieser in Abzug zu bringenden Prozentpunkte existiert jedoch keine Formel, d.h. diese liegen im Ermessen der Gerichte.
Unterhaltsbemessungsgrundlage:
Der zuvor ermittelte Prozentsatz ist für die Berechnung des Kindesunterhalts mit der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu multiplizieren. In vielen Fällen wird die Unterhaltsbemessungsgrundlage dem Nettoeinkommen entsprechen, jedoch mindestens in ebenso vielen Fällen (beispielsweise bei Bezug von Diäten, km-Geldern, Sachbezügen und diverser Zuschläge) sind Korrekturen sowohl nach oben als auch nach unten vorzunehmen und noch komplizierter wird es, wenn Sie ein selbständiges Einkommen haben.
Eine abschließende Anleitung zur Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage kann aufgrund der Vielzahl der hierzu ergangenen OGH-Entscheidungen keinesfalls dargestellt werden. Als Hilfestellung finden Sie aber folgende Tabellen:
- Einkommensbestandteile
In dieser Auflistung finden Sie die wesentlichsten Einkommensbestandteile jeweils mit dem Hinweis, ob (bzw. in welchem Ausmaß) diese in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen werden müssen.
- Abzugsposten
In dieser Auflistung finden Sie die wesentlichsten Abzugsposten jeweils mit dem Hinweis, ob diese auch unterhaltsrechtlich anerkannt sind (siehe auch Judikatur dazu).
Familienbonus Plus - Auswirkung auf den Kindesunterhalt:
Seit Einführung des Familienbonus Plus wurden drei Varianten diskutiert:
- Variante 1): Komplette Einrechnung in die FBH-Anrechnung
Mit der Entscheidung 6Ob240/17p vom 17.01.2018 hat der OGH entschieden, dass der Kinderfreibetrag
bei der Familienbeihilfenanrechnung berücksichtigt werden muss. Diese Entscheidung erhöhte den Unterhalt im Ausmaß des Steuervorteils durch den Kinderabsetzbetrag.
Für die Variante 1 spricht nun, dass der Familienbonus Plus den Kinderfreibetrag ersetzt und der Familienbonus Plus demnach genauso zu behandeln ist.
Die Folge dieser Variante wäre, dass die Familienbeihilfenanrechnung in Standardfällen keine Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen mehr bewirken würde bzw. der gesamte Familienbonus Plus
dem Kind zu Gute kommen würde.
- Variante 2): Erhöhung der Unterhaltsbemessungsgrundlage
Diese Variante würde lediglich zu einer moderaten Unterhaltserhöhung führen (< € 14,-/Monat)
- Variante 3): Gänzliche Vernachlässigung
Bei dieser Variante
verbleibt der Familienbonus Plus (€ 750,-) zur Gänze beim Geldunterhaltspflichtigen.
Diese, für den Unterhaltspflichtigen vorteilhafte Variante wurde bei Beschlüssen 1. Instanz teilweise sogar angewendet. Die ersten OGH-Entscheidungen (4Ob139/19y, 5Ob92/19v) vertreten diese Ansicht allerdings nicht.
- Die (hoffentlich) endgültige Entscheidung
Mit der OGH-Entscheidung 4Ob150/19s vom 11.12.2019 (veröffentlicht am 19.12.2019) hat der OGH die Frage geklärt, wie sich die der Familienbonus Plus auf die Unterhaltsbemessung von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auswirkt und mit der OGH-Entscheidung 9Ob59/19w wurden diese Auswirkungen auch für volljährige Kinder bestätigt:
- Der Familienbonus Plus ist nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen
- Der Familienbonus Plus (und der Unterhaltsabsetzbetrag) müssen dem Unterhaltspflichtigen verbleiben (in der Praxis 50% des Familienbonus Plus)
- Dies gilt auch dann, wenn die Berücksichtigung des Familienbonus Plus beim Dienstgeber beantragt wird; in einem solche Fall ist der Familienbonus Plus (ebenso wie der Unterhaltsabsetzbetrag) aus dem "Einkommen" des Geldunterhaltspflichtigen heruaszurechnen
- Demzufolge kann der Unterhaltspflichtige entgegen bisheriger Rechtsprechung auch nicht mehr auf den Bezug des (halben) familienbonus Plus angespannt werden
- Der OGH hat aber auch festgestellt, dass mit dem Familienbonus Plus die verfassungsrechtlich gebotene Entlastung des Geldunterhaltsschuldners erreicht ist und es in Folge zu keiner Anrechnung der Transferleistungen mehr kommt - d.h. die Familienbeihilfenanrechnung entfällt komplett. (Der Verfassungsgerichtshof hat bereits 2002 vorgegeben, dass die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen entweder durch eine pauschalierende oder sonstige sachliche Regelung der Gesetzgebers oder - solange der Gesetzgeber nicht tätig wird - im Rahmen der gerichtlichen Unterhaltsbemessung erreicht werden kann).
Familienbeihilfenanrechnung (für Unterhalt bis 31.12.2018):
Üblicherweise erhält jener Elternteil, der die Kinder betreut die Familienbeihilfe. Die Familienbeihilfe soll aber neben dem Zweck eines Mindestunterhalts bzw. einer Betreuungshilfe auch der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen dienen. Über die Familienbeihilfenanrechnung wird nun jener Teil berechnet, der der steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen dienen soll und in Folge von der Geldunterhaltspflicht in Abzug gebracht.
Die für diese Berechnung vom OGH entwickelte Formel ist folgendermaßen aufgebaut:
- Im ersten Schritt wird der Grenzsteuersatz des Unterhaltspflichtigen ermittelt und um 1/5 reduziert (aus 50 % werden z.B. 40 %).
- Dann wird der nach der Prozentwertmethode ermittelte Unterhalt mit diesem reduzierten Grenzsteuersatz multipliziert um zu ermitteln, welchen Steuerbetrag sich der Unterhaltsschuldner (bei einem um 1/5 reduzierten Grenzsteuersatz) erspart hätte, wenn er den Kindesunterhalt von der Steuerbemessungsgrundlage hätte abziehen können.
- Nachdem die Regel lautet, dass die Hälfte der letzten Berechnung den Unterhaltsschuldner steuerlich entlasten soll, wird dieser durch 2 dividiert.
- Im letzten Schritt wird von diesem steuerlichen Entlastungsbetrag der Unterhaltsabsetzbetrag in Abzug gebracht, da dieser Unterhaltsabsetzbetrag bereits als steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners in der Arbeitnehmerveranlagung berücksichtigt wird.
Das Endergebnis:
Führt man den auf dieser Seite beschriebenen Berechnungsweg aus, so kommt man zwar zu einem Ergebnis, jedoch darf man nicht davon ausgehen, dass dies auch immer dem unterhaltsrechtlichen Endergebnis entspricht. Selbst, wenn die in manchen Fällen durchaus schwer zu ermittelnde Unterhaltsbemessungsgrundlage richtig eingesetzt wurde, gibt es eine Vielzahl von Fällen, bei denen Korrekturen in der Berechnung vorzunehmen sind oder sogar ein eigener Berechnungsweg angewandt werden muss. Zum Beispiel in folgenden Fällen:
- der betreuende Elternteil erhält keine Familienbeihilfe
- der Unterhaltspflichtige ist in Österreich nicht steuerpflichtig
- der Unterhaltspflichtige bezieht ein endbesteuertes Einkommen (KESt)
- der Unterhaltspflichtige wurde angespannt (siehe Judikatur dazu)
- bei hohem Einkommen des Unterhaltspflichtigen (Playboygrenze)
- bei Eigeneinkommen der Kinder (siehe Judikatur dazu)
- bei Eigenpflege bzw. Drittpflege der Kinder (siehe Judikatur dazu)
- bei gemeinsamer Betreuung (betreuungsrechtliches Unterhaltsmodell)
- bei verstärkten Betreuungszeiten (z.B. 2 Tage/Woche)
Und zu guter Letzt wird der berechnete Unterhalt noch in 5er oder 10er-Schritten gerundet.
Sonderbedarf:
Neben dem laufenden Unterhalt, um den es bei obiger Berechnung ging, gibt es aber auch noch den Sonderbedarf. Unter Sonderbedarf versteht man jene Kosten, die aufgrund der individuellen Besonderheit nicht im Allgemeinbedarf enthalten sind. Eine individuelle Besonderheit kann man auch so umschreiben, dass diese Kosten nur einzelne Kinder treffen, aber nie eine Vielzahl von Kindern. So ist beispielsweise der Schulschikurs kein Sonderbedarf, weil diese Kosten ja allen Kindern einer Klasse entstehen. Die Zahnspange wiederum ist das typische Beispiel für einen Sonderbedarf. Was konkret alles als Sonderbedarf gewertet wird und was nicht, lässt sich aus einer Vielzahl von OGH-Entscheidungen ableiten.
Eine Auflistung von Sonderbedarfskosten finden Sie hier.
Im zweiten Schritt ist zu beurteilen, wer die Kosten des Sonderbedarfs eigentlich tragen muss. Je nach Umstand sind diese Kosten entweder vom geldunterhaltspflichtigen oder vom betreuenden Elternteil zu tragen. Nur im Ausnahmefall sind diese von beiden Elternteilen zu tragen (auch wenn Vielerorts die Meinung vorherrscht, dass Sonderbedarfskosten 50/50 aufgeteilt werden).
Üblicherweise muss der Sonderbedarf nur in jenen Fällen vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil getragen werden, in denen der betreuende Elternteil nicht in der Lage ist, die Sonderbedarfskosten aus der Differenz zwischen den tatsächlich bezahlten Alimenten und dem Regelbedarf abzudecken. Ein Beispiel dazu finden Sie hier.
Eine weitere Ausnahme besteht, wenn der laufende Unterhalt durch den
Unterhaltsstopp gedeckelt ist, da in diesem Fall das Argument der "schädlichen Überalimentierung" nicht mehr greift (siehe Judikatur dazu).